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Anna Helms-Blasch

Ein Volkstanzporträt von Hedo Holland

 
Über Anna Helms ist viel geschrieben worden, z.B. in den „Festlichen Blättern“, die Anna Helms zum 80. Geburtstag verehrt wurden, mit Artikeln der namhaften Volkstanzpersönlichkeiten der Zeit. Doch wer hat das Buch heute noch?
Anna Helms-Blasche An Anna Helms-Blasche kommt keine Volkstänzer vorbei, sie ist mit ihren vielen Büchern und Aktivitäten wohl die bisher wichtigste Volkstanzfrau in Deutschland neben Gertrud Meyer und Marie Peters. Weshalb schreiben wir nun eine Porträtseite?
Es ist in jüngster Zeit still um Anna Helms geworden. Ihr 125. Geburtstag 2002 wurde weitgehend vergessen, es gab meines Wissens kein Anna-Helms-Gedächtnistanzen. Viele Volkstänzer heute wissen kaum etwas von ihr, außer, dass sie aus Hamburg kam.
Anna Helms wurde am 23. Januar 1877 geboren und lebte ihr Leben für den Volkstanz. Sie kam im Wandervogel e.V. zum Volkstanzen, machte sich dann selbst auf die Suche und entdeckte auf dem Land viele Quellen von norddeutschen Bunten (Kontratänze, zumeist im Quadrat mit 4 Tanzpaaren). Dann gründete sie die Geestländer Tanzkreise und stellte viele Tanzsammlungen zusammen, den ersten Band „Bunte Tänze“ noch in Zusammenarbeit mit dem Wandervogel e.V.
Der erste Band ist geschmückt mit Zeichnungen von Ernst Eitner in rechter Wandervogelmanier, von denen die fünf schönsten heute noch gern verwendet werden. Außerdem schrieb Anna selbst Tanzspiele, sodass ihre Gruppe eine Tanztheatergruppe wurde. Mit all ihrem Tun wurde sie wohl zur bedeutendsten Volkstanzfrau des vorigen Jahrhunderts in Deutschland.
Wichtig ist auch, dass sie Voraussetzungen fürs Volkstanzen wie Schaffung schöner Tanzsäle, passender Tanzkleidung, Volkstanzen in Schulen und in der Gesellschaft, internationale Kontakte, Volkstanzen bei Deutschen im Ausland und dynamische Zusammenarbeit deutscher Volkstanzkreise mit voranbrachte. Im Dritten Reich hielt sie sich zurück, um dann nach dem Krieg eine Brücke zwischen den Volkstänzern in Ost und West mit zu begründen. Zumindest war sie in der DDR wie in der BRD hoch angesehen, und es erschienen mehrere Bücher über sie. Sie arbeitete wegen der Hefte mit vielen namhaften Volkstanzlehrern zusammen, besonders mit ihrem Mann Julius Blasche und mit Heinrich Dieckelmann, beide Hamburg.
Über ihren Mann, Julius Blasche, mit dem sie die meisten ihrer Werke zusammen herausgab, ist kaum etwas geschrieben worden. Die Redaktion wäre dankbar, auch über ihn mehr zu erfahren, um auch ihm evtl. eine Porträtseite widmen zu können.
Eine Liste der meisten von Anna Helms-Blasches Veröffentlichungen bringen wir hier. Einige der Hefte sind beim Friedrich Hofmeister Verlag (www.hofmeister-musikverlag.com) – heute wieder in Leipzig – noch zu bekommen. Ein Großteil der Hefte und Bücher von und über Anna sind in Lüttenmark im Wandervogel-Archiv zu erhalten. Dazu sei gesagt, dass noch manches im Archiv fehlt. Wer also seine Sammlung gern dem Wandervogel-Archiv spenden möchte, oder wer einen Volkstanz- und Volkslied-Nachlass abgeben will, der schicke das hierher. Hier ist es gut aufgehoben.
Eine Porträtseite macht mehr Spaß zu lesen, wenn auch Anekdoten, Fotos und Grafiken dabei sind, vielleicht sogar ein Gedicht. Darum will ich Begebenheiten erzählen, die ich von Anna Helms persönlich erfuhr, weil ich mehrmals mit ihr sprach und auch bei ihr in der Hamburger Schule Ratsmühlendamm einige Male mittanzte. Ich erinnere mich noch an den Tanz „Du und ich wir beide, ja so promenieren wir“, der aus Schweden stammt.
Barmbeker Totentanz
Als Anna die Geestländer Quadrille geschaffen hatte, unterrichtete sie sie in Barmbek in der Schule Fraenkelstraße für die Barmbeker Gruppenmitglieder des Wandervogels. Die hörten die Musik und verglichen den Musikbeginn mit einem Totentanz. Beim nächsten Hamburger Wandervogeltreffen wünschten die Barmbeker sich „ihren Totentanz mit Auferstehung“ wieder. Seither hat der Tanz den Spitznamen „Barmbeker Totentanz“, der sich bis heute in Hamburger Tanzkreisen erhalten hat.
Auf Dörfern wurden die Tänze unterschiedlich gespielt und mit vielen Touren versehen. Anna Helms strich Touren zusammen, nahm die jeweils schönsten der ihr bekannten Melodien und schrieb eine Tanzbeschreibung, die sich mit dem Weit-auseinander-Tanzen und in genauer Haltung und geringer Berührung weit vom „echten“ ursprünglichen Tanzen auf den Dörfern unterschied. Insofern sind Annas Tanzbeschreibungen selten authentisch.Diese Einstellung war durch die damaligen Tanzsitten im Wandervogel sehr geprägt. Tanzen ohne Alkohol, nicht erotisch aber kraftvoll und anmutig, gern auch schnell und langsam im Wechsel.
Die Dorfbezeichnung „Kierls“ für die Männer und „die Hübschen“ für die Frauen ließ sie auch weg, auch, da damals im Wandervogel fast nur von Jugendlichen volksgetanzt, aber noch wenig plattdeutsch gesprochen wurde. Die Tänze wurden durch Annas Veränderungen einerseits entvitalisiert, andererseits bekamen sie einen ideologisch geprägten volkspädagogischen Trend, der Harmonie und Schwung zulässt, aber Sexualität ausklammert. Beides gab es beim Dorftanzen nicht.
Dass es nun Tanzkreise gibt, die nun die Tänze von Anna Helms nach den Tanzbeschreibungen (und den darauf aufbauenden Tonträgern von Walter Kögler, Stuttgart) einseitig und entvitalisiert eng nach ihren Tanzbeschreibungen tanzen, ist vielen bekannt. Dass kaum noch Jugendliche für die norddeutschen Bunten zu begeistern sind, hängt mit der Entvitalisierung und Entsexualisierung der Tänze zusammen, aber auch mit den über 50 Jahre alten Musikaufnahmen, die dringend aktueller Musiküberarbeitungen bedürfen. Auf jeden Fall ist eine Diskussion über das Tanzen der „Bunten“ heute (nicht nur in der DGV) dringend angebracht und wäre bestimmt im Sinne von Anna Helms, der es immer darum ging, alte und neue Volkstänze wieder in die Schulen und ins Volk zu bringen. Im Wandervogel e.V. haben wir die Einstellung zum Volkstanzen heute neu bedacht und suchen auch nach Impulsen für eine Neubelebung der schönen alten Tänze, fürs Musizieren (und auch neue Tanzbeschreibungen).
Hefte von und über Anna Helms-Blasche
Ab 1912 Bunte Tänze Hefte 1–12 zusammen zumeist mit Julius Blasche, über 25 Auflagen, (u.a. Lipper Tänze, Holländische Tänze etc.) 1923; Geestländer Tänze mit Julius Blasche; 1948 Sammlung niederdeutscher Volkstänze mit Julius Blasche; 1957 Bunte Tänze – Wie wir sie suchten und fanden, Dornröschen, ein Märchenspiel mit Julius Blasche, Aschenbrödel – Musik von Mozart, Bilder: u.a. Ernst Eitner und Emil Blasche, Schneewittchen – Musik Carl Maria von Weber, Marienkind im Himmel – Drei Weihnachtsspiele – Musik nach alten Meistern, Geestländer Tänze mit Julius Blasche, Volkstanzblätter für Orchester, Geestländer Bund – Geestländer Tanzkreise, Drei Tore – Neue Geestländer Tänze mit Julius Blasche. Diese Liste beansprucht keine Vollständigkeit.
Über Anna Helms erschienen neben vielen anderen Veröffentlichungen: 1956 Festliche Blätter für Anna Helms vom AK für deutsche Volkstanzpflege und -forschung, Wilhelm Kunze, Rudolstadt; 1957 Zwischen zwei Festen, AK für deutsche Volkstanzpflege und -forschung, Wilhelm Kunze, Rudolstadt; ca. 1970 Volker Klotzsche – Volkstanzpersönlichkeiten.
Aus: Folkmagazin 254, Ausgabe 4/2004
 
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