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Berichte


Schwülwarmes "Danzbodaglüha" und feuchter Volksmusiktag in Neuhausen ob Eck
Besucheranstieg in den Freilichtmuseen im Land
Deutsche Fahnenschwinger-Meister kommen aus Konstanz und Paderborn
Villinger Trachten für das Schwarzwälder Trachtenmuseum
25 Jahre LAG Tanz BW
Jeder Dritte im Land engagiert sich für Gemeinschaft
Vom Uhrmacher zum Weltmarktführer
Volksmusikbass.de
Thüringer steht an der Spitze des Deutschen Trachtenverbandes
Aus zwölf Abenden wurden letztlich 14 Jahre
Schwwäbische Sorgen um das " Gsälz"

Schwülwarmes "Danzbodaglüha" und feuchter Volksmusiktag in Neuhausen ob Eck

Rund 30 Musikgruppen mit 200 Musikanten und Sängern begeisterten rund 4.000 Besucher
Mehr als 30 Musikgruppen mit 200 Musikanten und Sängern haben am Sonntag, dem 1. September zum 6. Volksmusiktag in Neuhausen ob Eck (Kreis Tuttlingen) aufgespielt und gesungen. In der historischen Atmosphäre des Freilichtmuseums feierten über 4.000 Besucher mit. Vielfach wurde das Tanzbein zu Walzer und Polkatakten geschwungen.
Schon am Samstagabend begann der Volksmusiktag in diesem Jahr mit dem "Danzbodaglühen" in sechs Gasthäusern in Mühlheim/Donau, in Stetten und natürlich im Museumsgasthof Ochsen. In dieser Nacht bekam so mancher Besucher heiße Füße und eine heisere Stimme...
Weil das Ländle 50. Geburtstag feiert, haben der Landesmusikrat Baden-Württemberg und das Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck Gäste aus an Baden-Württemberg grenzenden Regionen eingeladen. Denn politische Grenzen sind keine kulturellen Grenzen. Der volksmusikalische Austausch in den Grenzregionen und darüber hinaus war durch fahrende Musikanten und Handwerker immer gegeben. Die Zuhörer und Tänzer konnten schnell merken, dass Franken, Tiroler, Vorarlberger, Bayrische Schwaben und Schweizer ganz ähnlich musizieren, singen und tanzen wie Badener und Württemberger, nur halt mit einer typischen regionalen Charakteritik. Gerade so wie beim Dialekt.
Es erklangen längst vergessene Weisen, die die Dorfmusiker früherer Zeiten in kleinen Besetzungen auf dem Tanzboden zum Besten gaben. Lieder (a’ständige und oa’ständige) erklangen und haben die Wirtshaushocker zum Mitsingen animiert. Musikanten wurden beim freien Improvisieren über die Landesgrenzen hinaus beobachtet.
Die schwäbischen Stäffelesgeiger vermischten sich mit der Tiroler Sunnwendmusik, die frankischen Loonharder Musikanten mit dem schweizerischen Ländlerquartett "aarelouf", die Muntafuner Danzbodamusig mit den badischen Kompromissbachmusikanten und Uwe achuth mit seinen schwäbischen Wirtshausmusikanten vermischte sich mit den Einheimischen Blasmusikern und spielte bis zum Morgengrauen im Stettener Wirthaus Lamm auf.
 
Selten wurde bei einem Gottestdienst so gelacht wie beim Schwäbischen Mundart-Volksmusikgottesdienst am Sonntag früh. Pfarrer Friedemann Binder aus Rechberghausen predigte über "Musik macha uf Deifl komm raus" und sorgte mit seiner flotten Art immer wieder für herzliche Lachsalven. Unvergesslich wird den Gottesdienstbesuchern der 150. Psalm bleiben: "Lobet da Herra mit em Hackbrett ond dr Harf...." Der Gemischte Chor aus Suppingen und die Tiroler Sunnwendmusik gestalteten den Gottesdienst musikalisch.
Während am Samstagnacht der Schweiß in Strömen rann, mussten sich die Besucher des Volksmusiktages am Sonntag warm anziehen. Ob es die Nacht war, die den Musikanten noch in den Knochen steckte oder das feucht-kalte Wetter, das die Stimmung ein bisschen drückte bleibt offen. Trotzde, musizierten die 35 Musikgruppen in den Häusern und auf den Plätzen des Dorfes, dass es eine Freude war. Chnell erhellte sich ddie timmung bei Musikanten und den rund 4.000 Besuchern. Da wurde zugehört, mitgetanzt, mitgesungen und mitgelacht. Es gab keine Bühnen, keine Lautsprecher und somit keine Grenzen zwischen Musikern, Tänzern, Sängern und Zuhörern. Alles verschmolz zu einem lustvollen Ganzen.
Volksmusik jenseits von Kitsch und Kommerz, live und ohne doppelten Boden, frei vom tümelnden Musikantenstadl-Playback.
Instrumentenbauer zeigten ihre Künste und Kinder konnten selbst einfache Instrumente bauen. Wer wollte, konnte sich beim Danzkurs vom Tanzmeister die ersten Schritte beibringen lassen.
Die Verantwortlichen waren zufrieden mit dem Ablauf der Veranstaltung, die durch die Staatliche Toto-Lotto GmbH seit Anfang unterstützt wurde. Das mit Mittel aus dem Geburtstagstopf des Landes erstmals durchgeführte "Danzbodaglüha" wird wohl eine einmalige Veranstaltung bleiben, sofern nicht ein zusätzlicher Sponsor gefunden wird. (ww)

 

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Besucheranstieg in den Freilichtmuseen im Land

Steigerungsraten zwischen fünf und zehn Prozent
Die Freilichtmuseen in Baden-Württemberg haben in dieser Saison mehr Besucher angezogen als im vergangenen Jahr. Insgesamt kamen bisher 570.000 Gäste in die sieben Museum unter freiem Himmel. Das entsprach Steigerungsraten zwischen fünf und zehn Prozent, teilte der Freiluftmuseums-Verbund "Die Sieben im Süden" am Freitag in Tuttlingen mit.
Dazu gehören das Odenwälder Freilandmuseum Gottersdorf, das Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen, das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof Gutach, das Oberschwäbische Museumsdorf, das Kreisfreilichtmuseum Kürnbach, das Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck und das Bauernhaus-Museum Wolfegg.
Der Grund für den Besucheranstieg liege unter anderem in den begleitenden Veranstaltungen und Ausstellungen zum 50-jährigen Landesjubiläum Baden-Württembergs. Die "Sieben" hatten thematisch untereinander abgestimmte Sonderaktionen unter dem Titel "Was machet mer jetzt? - Das Land vor 50 Jahren" angeboten". Diese Ausstellungen sind noch bis zum Saisonende in etwa sechs Wochen zu sehen.
Internet: http://www.landmuseen.de

 

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Deutsche Fahnenschwinger-Meister kommen aus Konstanz und Paderborn

12. Deutschen Meisterschaften in Rottweil
Die besten Fahnenschwinger Deutschlands kommen aus Konstanz und Paderborn. Bei den 12. Deutschen Meisterschaften erzielten die Einzelstarter und Gruppen der Niederburg Konstanz sowie der Fahnenschwingergesellschaft St. Johann und Hubertus Schützenbruderschaft Paderborn-Wewer 1910 jeweils sechs Meistertitel. Schon bei vorangegangenen Meisterschaften stellten diese beiden Mannschaften die meisten Sieger.
Rund 400 Fahnenschwinger aus ganz Deutschland ermittelten am Wochenende in Rottweil ihre Champions. In 25 verschiedenen Kategorien von altüberlieferten Schwüngen bis zu sportlich-modernen Choreografien traten die Sportler an.
Für die Zuschauer bot sich vor allem am Sonntag ein farbenprächtiges Spektakel: Bei den Gruppenwettbewerben stand den Teilnehmern die Wahl der Kleidung und Musik völlig frei. So wurden die Fahnen sowohl nach den Klängen von Fanfarenzügen als auch zu Kirchen- und Hardrock-Musik geschwungen. Bei aller künstlerischen Freiheit achteten die Wertungsrichter aber wie schon am Vortag bei den Einzelwettbewerben streng auf Taktgenauigkeit, Sauberkeit der Schwünge und Würfe sowie die Synchronität der Gruppen.
Das Fahnenschwingen verzeichnete nach den Worten der Veranstalter in den vergangenen Jahren einen Aufschwung. Allein in dem 1995 gegründeten Landesverband Baden-Württemberg sind 64 Vereine mit rund 600 Aktiven vertreten. Dabei ist das Fahnenschwingen keine Mode der Neuzeit. Die Tradition reicht bis ins Jahr 370 zurück, als Kaiser Valentin das Schwingen der Fahnen im Krieg einsetzte: Da es noch keine Uniformen gab, zogen die Landsknechte hinter der Fahne in die Schlacht - fiel die Fahne, waren die Soldaten orientierungslos und flohen zumeist.
Mit der Einführung der preußischen Heeresordnung und dem Aufkommen einheitlicher Uniformen geriet das Fahnenschwingen in Vergessenheit. Einzig der militärische Rang des Fähnrichs zeugte noch von der Tradition. In Ländern wie der Schweiz oder Italien blieb dagegen das Fahnenschwingen als Kulturgut erhalten. In Deutschland wurde - von vereinzelten Gruppierungen abgesehen - erst um 1950 die alte Kunst wieder stärker belebt.

 

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Villinger Trachten für das Schwarzwälder Trachtenmuseum

Dauerleihgaben wurden persönlich übergeben
Museumsleiter Alois Krafczyk hat allen Grund zur Freude, denn sein Konzept, mit den Trachtenvereinen der Region intensiv zusammenzuarbeiten und so die Authentizität der ausgestellten Exponate zu gewährleisten, scheint aufzugehen. So kann bald eine neue Vitrine der Öffentlichkeit vorgestellt werden, die städtische Trachtenkleidung zum Thema hat und deren vier Exponate von Trachtenvereinen zur Verfügung gestellt wurden. Neben der Haslacher Bürgerinnentracht wird dort auch eine Gengenbacherin zu finden sein. Dieser Tage nun wurde das Ensemble vervollständigt durch eine wertvolle Dauerleihgabe aus Villingen. Die "Historische Bürgerwehr und Trachtengruppe Villingen" hatte sich entschlossen, neben einer Villinger Bürgertracht, einer Männertracht also, die das "Damenkränzchen" in der Vitrine sicher gut auflockert, auch eine "Alt-Villinger Frauentracht" mit der bekannten Radhaube als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen. Und damit alles richtig sitzt, haben es sich Lambert und Gisela Hermle und Veronika Rudhardt vom Villinger Trachtenverein nicht nehmen lassen, die beiden Schaufensterpuppen im Schwarzwälder Trachtenmuseum selbst einzukleiden. Die Villinger Trachtenspezialisten mussten feststellen, dass es ein ebenso schwieriges wie zweitaufwändiges Unterfangen ist, maßgeschneiderte Trachtenkleidung einer auf Konfektionsgrößen zugeschnittenen Schaufensterpuppe anzuziehen und die einzelnen Kleidungsstücke auch noch so zu drapieren, dass das Ganze nicht gekünstelt wirkt. Die neue Vitrine wird in den nächsten Tagen fertig gestellt sein und repräsentiert dann die "städtische Kleidung" der Bürgerinnen und Bürger in den zahlreichen kleinen Schwarzwaldstädtchen des vorvorigen Jahrhunderts. Mit ihrer Lage im letzten Drittel des Museumsrundgangs stellt sie auch museumspädagogisch einen gelungenen Kontrapunkt zum mittleren Museumskomplex dar, der sich überwiegend der Darstellung der bäuerlichen Festtagstrachten widmet. Das Haslacher Trachtenmuseum hat durch die neuen Ausstellungsstücke jedenfalls eine echte Bereicherung erfahren.

 

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25 Jahre LAG Tanz BW

Schloss Hersberg bei Immenstaad am Bodensee bot rund 100 Tänzerinnen und Tänzern vom 1. bis 4. November 2001 gastliche Zimmer, Vollverpflegung und einen großen Tanzsaal, in dem drei Tage lang Tänze aus aller Welt angeleitet, geübt und mit wachsender Freude getanzt wurden. Dank einer sorgfältig geplanten Organisation lief alles wie am Schnürchen, und so tanzten wir – natürlich mit den erforderlichen Ess- und Ruhepausen – von morgens 9.15 Uhr bis in die Nacht. Versierte Tanzleiter verstanden es, in kurzer Zeit von leichteren Mitmachtänzen zu schwierigeren Tanzformen hinzuführen. Auf dieser Tanzreise streiften wir das reiche Angebot an Tänzen aus Osteuropa, aus dem Balkan und Israel, aus Westeuropa, speziell England, ferner Tänze aus dem deutschsprachigen Raum, Tänze aus Nordamerika und schließlich ganz moderne Tanzformen.
Es setzt schon Tanzerfahrung voraus, wenn man sich auf so unterschiedliche Tanzausprägungen einlässt, ohne frustriert zurückzustehen; die ungewohnte Fußarbeit bei Balkantänzen mit ihren fremden Rhythmen, das blitzschnelle Reagieren auf die Anweisungen des "Callers" bei den amerikanischen Squares, die Schärfung des Raumgefühls bei Formationstänzen – das alles und noch vieles mehr erfordert wache Konzentration und Kontrolle über seinen Bewegungsapparat. Trotz all dieser Tanz-"Arbeit" kam die Freude nicht zu kurz, vielmehr durchpulste sie den Tanzsaal von früh bis sehr spät an diesen drei Festtagen.
Eine historische Vertiefung bot uns Jadwiga Novaczek, München, mit einer "Zeitreise" vom ausgehenden Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert. Sie wählte exemplarisch die Allemande, einen Prozessionstanz, den wir in zeitlich verschiedenen Ausformungen tanzten und dabei den Hauch einer vornehm distanzierten Gesellschaft ahnten. Doch auch fröhliche Elemente lernten wir kennen und übten uns in Wicklerfiguren, mit mehr oder weniger Erfolg, aber viel Spaß, wie sie uns analog in alpenländischen "Landlern" begegnen. Wir merken: Tanz hat, auf verschlungenen Wegen, voneinander getrennte Gesellschaftsschichten verbunden und damit bereichert.
Aus der historischen Fremde, die in fünf Anleitungsstunden noch nicht zur vertrauten Heimat werden kann, gerieten wir am letzten Tag in die unmittelbare Gegenwart. Fast drei Stunden Nordamerikanische Tänze am Stück wirbelten uns so richtig durcheinander, gepeitscht von den exakten Kommandos des souveränen, witzigen Callers.
Die so schon überreiche Palette des Tanzprogramms bekam noch einen lebhaften Tupfer durch zwei Damen, die ich namentlich erwähnen möchte, aber stellvertretend für alle andern Referenten dieser Tage: Helga Eppinger, seit Jahren liegt die Tanzleiterausbildung in ihren Händen, zeigte uns, wie man nach moderner, spritziger Musik unkonventionell gesellig tanzen kann; und Vera Weindel-Roth, die Leiterin der LAG Tanz Baden-Württemberg, führte uns zum Teil ältere Semester in den Modern Dance ein, sonst ein Reservat der ganz Jungen, und mancher von uns fand Geschmack am Line Dance, Latin Mix und an Jazzdance-Elementen, wenn auch die Koordination von Händen und Füßen zu wünschen übrig ließ. Derart aufgeputscht ging es in die Pause vor dem abendlichen Tanzfest.
Wenn Musiker aus Zürich, die Gruppe "Merákia", zur Polonaise aufspielen, bleibt kaum jemand sitzen, und so zogen bald über 60 Paare in Windungen durch den Saal, sich teilend und wieder findend, zum Knäuel verdichtet, ohne Chaos sich lösend, schließlich in einem Walzer endend. Prof. Dr. Klaus Kramer, ein Mann der ersten LAG-Stunde, sprach über die Gründung der LAG Tanz in Baden-Württemberg, über die notwendige spröde Arbeit, damit eine solche Organisation, ein eingetragener Verein, sich überhaupt formieren kann. Den vielen ehrenamtlich Tätigen verdanken wir es, dass der Verein in den 25 Jahren zu einer lebendigen Gemeinschaft gewachsen ist, dass die Lehrgangsangebote von anfangs drei im Jahr heute auf über zwanzig gestiegen sind, und dass die Tanzleiterausbildung in den letzten 15 Jahren rund 200 neue TanzleiterInnen hervorgebracht hat.
Nach einem reichhaltigen Buffet wurde wieder getanzt, amerikanische und deutsche Tänze, und es rückte gegen 22 Uhr die Zeit heran für Ehrungen und Dank im "Jahr des Ehrenamtes".
In einer kurzen Ansprache ging Johannes Finkous, ein früherer Leiter der LAG, auf das uralte Phänomen Tanz in der Menschheit ein. Er zog den Bogen von der Griechischen Antike mit ihrer hohen Tanzkultur zur Gegenwart, wo in unseren Schulen der Tanz eine spärliche Rolle einnimmt, und er forderte die curriculare Einbindung des Tanzes in die Fächer Musik und Sport in allen Klassenstufen, gerade auch im Hinblick auf ein Vertrautwerden mit fremden Kulturen und Traditionen.
Die Ehrung von etlichen früheren und heutigen Mitarbeitern wurde von Frau Weindel-Roth zügig vorgenommen. Es war eine stattlich Anzahl, die den Applaus der Festgäste entgegennehmen konnte. Geehrt wurde auch die jüngste Teilnehmerin (zehn Jahre) und die älteste, 80-jährige aktive Teilnehmerin an diesem Jubiläumsfest. Die letzte Ehrung kann stellvertretend für alle langjährigen verdienstvollen Tanzleiterinnen angesehen werden, insofern die Geehrte, wie ich erfuhr, vor 65 Jahren (als 15-jähriges Mädchen) ihre erste Tanzgruppe Gleichaltriger anvertraut bekam, später als Lehrerin in all den Dienstjahren regelmäßig mit Kindern in der Schule tanzte und heute zwei verschiedene Tanzgruppen wöchentlich leitet.
Nach der halbstündigen Unterbrechung kamen die Tanzbeine wieder zu ihrem Recht und entführten uns nach Osteuropa und Israel. Wie schön Balkantänze in Tracht wirken, erlebten wir durch die Tanzgruppe "Suvalka" unter Leitung von Klaus Grimm, Gengenbach, und wir bewunderten die flinken Füße zu den komplizierten Rhythmen. Mit Tänzen aus Westeuropa näherten wir uns Mitternacht und damit dem Ende des offiziellen Programms, das uns einen Einblick in die vielfältige Tanzarbeit innerhalb der LAG Tanz gewährt hatte. Es spricht für die Teilnehmer, dass sie in einem offenen Tanzen weitermachten und kreuz und quer aus dem schier unerschöpflichen Tanzrepertoire Vorschläge machten, Wünsche äußerten, nach knapper Anleitung mittanzten und scheinbar nicht müde wurden unter dem Lebenselixier Tanz.
Eine kleine Gruppe hatte außerhalb der offiziellen Veranstaltungen zwei meditative Tänze einstudiert. Sie wurden in der Schlosskapelle beim sonntäglichen Gottesdienst um den Altar als eine besondere Art von Gebet getanzt. Tanz und Kult – ein würdiger Abschluss als Dank für das rundum gelungene Jubiläum!
 
Johannes Finkous

 

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Jeder Dritte im Land engagiert sich für Gemeinschaft

Baden-Württemberg ist das Mitmachland schlechthin
Baden-Württemberg ist nach den Worten des Soziologen Konrad Hummel das Mitmachland schlechthin. "Jeder Dritte im Südwesten engagiert sich in irgendeiner Rolle vom Bewährungshelfer bis zum Hornissenschützer aktiv für die Gemeinschaft", sagte der Leiter der Geschäftsstelle Bürgerengagement im Sozialministerium in einem dpa-Gespräch. In den großen Städten nehme die Bindung an ein Freizeit-Amt allerdings ab. Außerdem würden den großen Institutionen wie Kirchen und Gewerkschaften die Freiwilligen weglaufen, um sich kleinen Bürgerinitiativen und Interessengruppen anzuschließen.
Der Zulauf zu Ehrenämtern sei in Baden-Württemberg deutlich höher als in anderen Bundesländern. Um dieses Engagement zu würdigen, habe sich das Sozialministerium zum Landesjubiläum etwas Besonderes einfallen lassen: Die Karawane Bürgerland 2002. Von Sonntag 2. Juni an ziehen die Ehrenamtlichen an 50 Tagen durch 50 Städte im Land. Die erste Etappe war Ulm, der Zielort am 21. Juli Karlsruhe. "Alle Aktiven sollten merken, dass sie ernst genommen werden", erläuterte Hummel den Sinn der Karawane.
Die meisten freiwilligen Helfer im Südwesten bekleiden ein Amt in einem Sportverein. "Auf den Sport fallen 37 Prozent des Bürgerengagements. Weitere 25 Prozent beteiligen sich aktiv im Bereich Freizeit. Dazu zählen etwa Kulturdenkmalvereine oder Landfrauen." 16 Prozent helfen in Musik- und Theatervereinen, elf Prozent im sozialen Bereich. "Vor 20 Jahren war ein Viertel der Bevölkerung in einem Blasverein oder im Kirchenchor aktiv. Inzwischen hat sich das Bild gewandelt", sagte Hummel. Heute sei ein Großteil der Freiwilligen in kleinen Organisationen aktiv: "Es gibt Bachpaten wie etwa in Freiburg. Dort kümmern sich Bürger ehrenamtlich um die Pflege der innerörtlichen Kanäle und Bäche." Auch Vereine zum Schutz von Walfischen, Bürgerinitiativen zum Bau einer Rollschuhbahn oder Dritte-Welt-Initiativen seien beliebt.
"Die traditionellen und die quasi postmodernen Strukturen sind eigentlich widersprüchlich. Früher wollten Gleichgesinnte gemeinsam Traditionen aufrechterhalten, heute stellen sich auch heterogene Gruppen gemeinsam neuen Herausforderungen." Dieses Nebeneinander ist nach den Worten Hummels ein Vorteil: Durch die Reibung alter und neuer Strukturen würden sich beide Bereiche gegenseitig befruchten.
Dass im Südwesten mehr Menschen ehrenamtlich aktiv sind, habe mehrere Gründe. Ein wichtiger Aspekt sei die Siedlungsstruktur. "Kaum ein Bundesland ist so dicht besiedelt. Deshalb haben wir im Vergleich zu Bayern oder Niedersachsen extrem niedrige Unterschiede zwischen Stadt und Land und alle Menschen sind ähnlich engagiert." Außerdem sei Baden-Württemberg mehr als andere ein Zuwanderungsland. Der hohe Anteil von Ausländern habe sich positiv auf das Bürgerengagement ausgewirkt: "Dank der Gastarbeiter haben wir zahlreiche deutsch-türkische oder christlich-islamische Vereine."
Hummel betonte, dass sich allerdings nicht jeder Aktive gleichzeitig auch für das Gemeinwohl einsetzt. "In den Statistiken tauchen auch Bürgerinitiativen gegen den Bau eines Behindertenheimes, Islamistenvereinigungen oder die NPD-Jugend auf. Diese Menschen engagieren sich zwar, aber sie fördern wohl kaum das Gemeinwohl."
Internet: Karawane Bürgerland 2002: http://www.buergerprojekte.telebus.de
Quelle: dpa/lsw

 

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Vom Uhrmacher zum Weltmarktführer

Sonderausstellung zum 100. Todestag von Matthias Hohner
Matthias Hohners Laufbahn vom unzufriedenen jungen Uhrmacher über den mühsamen Beginn als Hersteller von «Mundharfen» bis zum Chef eines Weltunternehmens zeigt eine Sonderausstellung in Trossingen (Kreis Tuttlingen). Anlässlich des anstehenden 100. Todestags des Gründers der Instrumenten-Fabrik gibt das Deutsche Harmonika-Museum ungewöhnliche Einblicke in das Privatleben und das Geschäftsgebaren eines der bekanntesten Industriepioniere Baden-Württembergs.
Der am 11. Dezember 1902 gestorbene Hohner versuchte sein Glück zunächst als reisender Uhrenverkäufer. 1857 baute er seine erste Mundharmonika. Die Herstellung schaute er von anderen Firmen ab. Später wurde das Programm um Akkordeons erweitert. Als Matthias Hohner das Geschäft 1900 an seine Söhne übergab, hatte die Firma 1000 Mitarbeiter und stellte drei Millionen Mundharmonikas her.
Die meisten gingen in den Export in die USA, wo sie als Blues- Instrument beliebt waren. Ein Teil der Ausstellung befasst sich daher mit dem Einfluss Hohners auf die amerikanische Musikgeschichte.
Internet: Harmonika-Museum: http://www.harmonika-museum.de
Quelle: dpa/lsw

 

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Volksmusikbass.de

Ein Versuch im Internet
Im Rahmen seiner Diplomarbeit erstellt der Musikstudent Jörg Lanzinger momentan ein Online-Tutorium als Einstieg in das volksmusikalische Begleiten auf dem Kontrabass. Alle Bassistinnen und Bassisten, die über einen Internetzugang verfügen, sind herzlich eingeladen, an dem Projekt teilzunehmen.
Unter der Internetadresse http://www.volksmusikbass.de können die Musikerinnen und Musiker ab Mitte September im Selbststudium das Begleitspiel in der traditionellen Volksmusik lernen. Volksmusik bedeutet in diesem Zusammenhang die aus dem traditionellen Volkstanz und dem traditionellen Mundartgesang entstandene Musikrichtung, die heute vor allem im süddeutschen Raum verbreitet ist und oft auch als Stubenmusik bezeichnet wird. Der Aufbau des Online-Tutoriums wird einem Aufbau eines normalen musikpädagogischen Schulwerkes nachempfunden. Kapitel für Kapitel und Seite für Seite kann die Schülerin oder der Schüler das Werk durcharbeiten. Durch den Einsatz von Internetmedien stehen neue Hilfsmittel zur Verfügung: MP3-Files zum so genannten Play-Analog, Video-Konferenzen oder Austausch von digitalen Bildern zur visuellen Kontrolle, Erstellen und Bearbeiten von Noten durch moderne Notendruckprogramme zum Erlernen von musiktheoretischen Zusammenhängen. Die Testphase im Rahmen der Diplomarbeit erstreckt sich über zehn Wochen und endet spätestens am 22. Dezember 2002. Danach müssen die Ergebnisse ausgewertet werden und die Arbeit an der Musikhochschule Augsburg-Nürnberg vorgelegt werden. Betreut wird der Volksmusikstudent des Richard-Strauss-Konservatoriums in München durch die Dozenten Dr. Dorothea Hoffmann und Sepp Hornsteiner, Dozent für Volksmusik am RSK.
Interessenten können sich unter www.volksmusikbass.de oder per E-mail: JoergLanzinger[at]imail.de - für den Testlauf anmelden.

 

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Thüringer steht an der Spitze des Deutschen Trachtenverbandes

Knut Kreuch einstimmig zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt
Neustadt an der Weinstraße – Haupttagesordnungspunkt der Bundesversammlung des Deutschen Trachtenbundes in Neustadt an der Weinstraße waren die Neuwahl des Vorstandes und die neue inhaltliche Ausrichtung des Verbandes. Nachdem Günter Putz aus Darmstadt nicht mehr für den Bundesvorsitz kandidierte, schlug die Delegiertenversammlung den Thüringer Landesvorsitzenden Knut Kreuch für den Bundesvorsitz vor, der anschließend einstimmig das Vertrauen aller Bundesländer erhielt. Mit dem 35-jährigen Kreuch steht erstmals ein Thüringer an der Spitze des mit 2,5 Millionen Mitgliedern größten Verbandes der Heimat- und Brauchtumspflege in Deutschland. Bekannt geworden ist Kreuch als Organisator des 1. Gesamtdeutschen Bundestrachtenfestes 1994 im thüringischen Wechmar.. Dem Bundesvorsitzenden zur Seite stehen als Stellvertreter Jürgen Sturma (Niedersachsen), Gunter Dlabal (Baden-Württemberg), als Schatzmeister Hubert Hergenröther (Bayern) und als Schriftführer Günter Putz (Hessen) Kreuch will den Bundesverband in den nächsten Jahren neu profilieren als Vermittler zwischen den Landesverbänden, als kompetenten Ansprechpartner von Bundes- und Landesbehörden sowie als Forschungsstelle für die Erhaltung und Pflege von Tracht und Brauchtum. Dabei ist der Aufbau einer Forschungsstelle mit Bundesgeschäftsstelle geplant. Die nächste Präsidiumssitzung findet im März 2003 in Thüringen statt. Die nächsten Höhepunkte des Verbandslebens werden das 1. Deutsche Kinder- und Jugendtrachtenfest vom 28. bis 30. Mai 2004 in Thüringen sowie im September 2004 das nächste Deutsche Trachtenfest im niedersächsischen Lingen sein. (R)

 

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Aus zwölf Abenden wurden letztlich 14 Jahre

40 Jahre Volkstanzgruppe Neckartailfingen: Große Auszeichnung für langjährigen Tanzleiter Reinhold Fink
Sein Leben lang galt Reinhold Finks große Leidenschaft vor allem einem: dem Volkstanzen. Nicht dem, was in großen Schauauftritten daraus gemacht wird, sondern dem ursprünglichen Vergnügen, wie es die Menschen einst auf den Tanzdielen bei großen und kleinen Festlichkeiten pflegten. Den Tänzen der einfachen Leute ebenso wie den der Zünfte oder der adeligen Gesellschaft. Und seine Begeisterung hat er über Jahrzehnte stets an andere weitergegeben. Beispielsweise in Neckartailfingen, wo er viele Jahre als Tanzleiter der Volkstanzgruppe wirkte. Für sein Engagement verlieh ihm der Kulturrat des Schwäbischen Albvereins (SAV) im Rahmen der Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Neckartailfinger Volkstanzgruppe am Samstagabend in der Gemeindehalle deshalb die Kurt-Wager-Medaille.
Viele Ehrungen hat Fink für sein Wirken schon erhalten: Die Medaille für Verdienste um die Heimat Baden-Württemberg ebenso wie die Ehrennadel des Landes für ehrenamtliche Tätigkeit sind darunter. Mit der Kurt-Wager-Medaille sagte nun der SAV dem engagierten Schwaben für Jahrzehnte dauerndes Engagement "im Namen aller Tänzer und Musiker" Dank.
Nur selten wird diese Ehrung, benannt nach dem großen Kurt Wager, verliehen. Nach dem Tod des Tanzlehrers (1911-1979), dem die Volkstanz-Bewegung in Baden-Württemberg vieles zu verdanken hat, aufgelegt, wurde sie bis dato nur viermal vergeben. Das letzte Mal, so erinnert sich der Vorsitzende des Kulturrates des SAV, Manfred Stingel, vor zehn Jahren: Damals ging die Ehrung, eine der bedeutendsten im Volkstanzbereich überhaupt, an das Deutsche Tanzarchiv in Leipzig. Reinhold Fink ist nun also der fünfte Träger dieser Auszeichnung. "Viele von Euch wären heute nicht hier, wenn er nicht gewesen wäre", erinnerte Festredner Gerd Rieker an die Verdienste des Mannes, der so wesentlich die Entwicklung der Volkstanzgruppe Neckartailfingen beeinflusst hat.
Eigentlich hatte Fink, damals noch in Tübingen zu Hause, die Tanzleitung nur für zwölf Abende übernehmen wollen, geblieben ist er 14 Jahre. Und nicht nur das Volkstanzen haben viele Neckartailfinger von ihm gelernt: Seine Verbindungen und Kontakte in viele europäische Länder haben der Abteilung eine ganze Reihe von Freundschaften in Spanien und Schweden gebracht.
Auch als Fink die Tanzleitung abgab, blieb er den Neckartailfingern verbunden, organisierte zwanzig Jahre lang das offene Tanzen. Auch das alljährlich offene Volkstanzen in Neckartailfingen, das am Sonntag seine 34. Auflage erfuhr, geht auf seine Idee zurück. "Eine schöne Zeit, eine schöne Kameradschaft" sei es hier stets gewesen, so erinnert sich Fink später in seinem Rückblick. Doch nicht nur hier hat die Koryphäe in Sachen Volkstanz gewirkt: Unzählige Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder haben landauf, landab bei ihm das Volkstanzen erlernt oder sich bei ihm zum qualifizierten Tanzlehrer ausbilden lassen, erinnert Rieker. Schon 1968 war Fink Fachwart für Volkstanz in der Arbeitsgemeinschaft der Sing-, Tanz- und Spielkreise in Baden-Württemberg. Von dem großen Kurt Wager hat er für den SAV die Leitung der Volkstanzlehrgänge übernommen. Die Volkstanzwoche wurde dank ihm zu einem Renner. Selbst bei den Badenern verschaffte sich der Schwabe Respekt: Beim badischen Bund für Heimat- und Volksleben hat seine Meinung im Bereich Volkstanz großes Gewicht, hier wirkte er als Fachwart für Volkstanz, Tanzleiter und als Vizepräsident der Heimatzunft Hüfingen. Aber ob bei den Vereinen oder auf Landesebene, Fink stehe vor allem für eines: "Sein Name stand immer für Verlässlichkeit seiner Arbeit. Wenn er gebraucht wurde, war er da", erklärte Rieker.
Aus: Nürtinger Zeitung vom 02.09.02

 

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Schwäbische Sorgen um das "Gsälz"

Die neue Lust an der Mundart geht manchen schon wieder zu weit
Verflachung? Neue Blüte? Seit es in Bahnhöfen sächselt und in der Reklame schwäbelt, ist Mundart wieder Thema. Doch was die einen als Wiedergeburt bejubeln, beklagen die anderen grämlich als Verwässerung, als Missbrauch des Dialekts, um dessen Bestand sie fürchten.
Manfred Rommel versuchte es mit Satire: "Wir sind ein eingeschüchtertes Restvolk inmitten von Badenern, Bayern, Eidgenossen, Hessen und Franken", beklagte Stuttgarts Alt-OB im Sommer bei der Mitgliederversammlung des Fördervereins Schwäbischer Dialekt den Seelenzustand seiner Landsleute. Klare Absicht: den Schwaben das Kreuz zu stärken.
Bei einer Ulmer Veranstaltung im September hätte Rommel seine helle Freude gehabt: Im modernen Ulmer Stadthaus saß ein gut aufgelegter Dieter Baumann und erzählte im Alltagsschwäbisch aus seinem Läuferleben – dass er sich in Sydney um seine Olympiachance "beschissen" fühlte, dass jetzt zwei Kinder um ihn "herumwuselet" und das Training etwas schwieriger "machet".
Nun ist Ulm für Mundart ein gutes Pflaster, auf dem die Stadtwerke den Dialekt seit bald drei Jahren zur Imagepflege nutzen: Hier kommt der "Schwobaschdrom" aus der "Schdeggdos" und wer ihn haben will, wählt die "Hoddlein". Doch das Phänomen geht über die Stadt hinaus, wie der Weingartner Sprachwissenschaftler Norbert Feinäugle bei der Eröffnung der ersten oberschwäbischen Mundartwochen in Ehingen feststellte: Mundart sei weithin selbstverständlich geworden.
In Baden-Württemberg und Bayern bekennen sich nach einer Allensbach-Umfrage 60 Prozent zum Dialekt, in Sachsen mit 55 Prozent kaum weniger. Und weil in vielen Sendeformaten des Fernsehens, vom Interview bis zur Talkshow, spontanes Sprechen gefragt ist, schallt Mundart in bunter Vielfalt in die abendlichen Wohnzimmer. Bleibt für Feinäugle die Frage: Was soll das? "Was hat man davon, wenn die Bibel, wenn Max und Moritz und schließlich auch Asterix erfolgreich ins Schwäbische übersetzt werden, wenn Zeitungsanzeigen in Mundart erscheinen und Bierdeckel und T-Shirts, Kugelschreiber und Regenschirme mit flotten Mundartsprüchen Aufmerksamkeit zu erregen suchen?"
Für Wilhelm König vom "Haus der Mundart" in Bad Schussenried ist die Antwort klar: gar nichts. Der Mitbegründer der Mundartgesellschaft sieht eine Verwässerung, fürchtet, dass in dem Maß, wie das Honoratiorenschwäbisch zunimmt, Begriffe verloren gehen. Marmelade statt Gsälz, reda statt schwätza. "Begeisterung für den Dialekt reicht nicht", sagt König. Ohne Verständnis für Geschichte und Literatur bleibe dies eine "dilettantische Wiederaufnahme", die dem Dialekt mehr schade als nutze. Die darin anklingende Angst, der Dialekt verflache, verliere an Kraft oder sterbe gar aus, wird von der Wissenschaft nicht geteilt. Diese Angst sei, so tröstet der Volkskundler und Germanist Hermann Bausinger am Donnerstag ebenfalls in Ulm ein besorgtes Publikum, so alt wie die Mundartforschung, habe diese sogar vor 200 Jahren ausgelöst, als etwa der Geistliche Johann Christoph Schmid 1787 den ersten Versuch eines schwäbischen Wörterbuches veröffentlichte.
Gewiss: Einwanderung, Globalisierung und die Massenmedien seien nicht ohne Einfluss, räumt Bausinger ein. Tatsächlich haben sich schwäbischer Wortschatz und auch die Aussprache verändert, wobei das Verschwinden zahlreicher Vokabeln mit dem Verschwinden traditioneller Lebens- und Arbeitsweisen und Produktionsmittel zusammenhänge. Doch diese Veränderungen bedeuteten kein Verschwinden des Dialekts. Der existiere fort, allerdings in einer differenzierten Stufenleiter, die von der breiten Mundart bis zum gerügten Honoratiorenschwäbisch reicht. Reines Hochdeutsch schaffe der Schwabe ohnehin selten. Die Stufen dieser Leiter seien unterschiedlichen Situationen angepasst, etwa dem Arbeitsplatz oder dem heimischen Herd.
Im Übrigen gebe es Lebensbereiche, in denen der Dialekt einfach fehl am Platze und wenig funktional sei, etwa in der Wissenschaft oder auf der Kanzel. Das würden auch die Leute so empfinden, wenn sie in der Aussprache unterscheiden zwischen dem Himbeergoischt und dem Heiligen Geischt. Bausinger sieht das Ende der Mundart schon deswegen nicht gekommen, weil sie zu leisten vermag, wozu die Hoch- oder Standardsprache weniger gut in der Lage ist. So sei der Dialekt ein Instrument der Abgrenzung, des Demonstrierens von Zugehörigkeit, das keine Tracht und keine Fahne benötige. Und: Mundart drücke Sachverhalte oft treffender aus.
Von "neidige Siech" spricht der Ehinger Autor Wolfgang Baumbast bei den Mundartwochen in seiner Parabel über die Pfarrhaushälterin, die vom Kirchengemeinderat angefeindet wird, weil ihr der Geistliche alles vererbt hat – eine Charakterisierung, die besser nicht geht. Und wenn Beate Denzler aus Dürmentingen an gleicher Stelle in einem Gedicht über den "hura Gegewind" am Federsee klagt, weiß – dem Schwäbischen sei Dank – jeder, wovon die Rede ist.
"Die Mundart ist das Mittel, Nichtssagendes zu sagen, und das ist ein ganz wichtiger Faktor in der Kommunikation", stellt Bausinger fest. So können Emotionen deutlicher ausdrücken, was sich in der hohen Variabilität des schwäbischen Schimpfwort-Repertoires zeige. Sie sei die Sprache der (Nach-) Lässigkeit, gewissermaßen die sprachliche Haus- und Freizeitkleidung.
Schließlich sei Mundart die Sprache der Widerspenstigkeit, in der sich der Protest gegen die Obrigkeit unverblümt äußere. Der These, im Dialekt könne man nicht lügen, widerspricht er allerdings vehement: Das Gegenteil sei der Fall, im Dialekt könne man besser, da glaubwürdiger lügen. "Alles zu seiner Zeit", so lautet Bausingers Antwort auf die Frage, ob Mundart ein Auslaufmodell sei, das von Berufsschwaben totgepflegt wird, oder ob sie im Alltag nach wie vor ihren Platz habe. Ihren Generalanspruch will er einschränken: Die Abgrenzung dürfe nicht in Ausgrenzung münden. Bausinger fordert die sprachliche Toleranz nicht nur gegenüber den Schwaben, sondern auch gegenüber der Hochsprache, der "Kanak-Sprak" und sogar gegenüber dem Sächsischen.
Aus: Südwestpresse vom 21.09.02

 
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