heimatzunft | heimatpfleger


Paul Kreiner

Geschäft mit dem Dreivierteltakt

Wien ehrt Johann Strauß - wie könnt’s anders sein?


Silvester, Schlag Mitternacht. Da ist er, auf den sie alle gewartet haben, alle Jahre wieder: der berühmteste Dreiklang der Welt. Aus dem Dunkel, so leise, so majestätisch, als breite ein riesiger Eulenvogel seine Schwingen aus, so versucht sich die Melodie über den Boden zu erheben. Mit zwei Schlägen schiebt das Orchester an, nochmal zwei und nochmal zwei, es fügt sich der Dreivierteltakt. Neuer Flügelschlag, noch einer, und schon ist alle Erdenschwere abgeschüttelt - und eine ganze Nation fliegt dahin im Rauschen ihres Donauwalzers.
  Das ist Jahresanfang à la Wien. Innigkeit und Klischee durchdringen sich zu der -wenigstens für den Augenblick - liebenswürdigsten Melange der Welt. Kein Silvesterball kommt ohne Donauwalzer aus, keine Diskothek, und auch der Rundfunk spielt in den ersten Minuten jedes Jahres das Stück, das praktisch seit seiner Entstehung 1867 als Österreichs inoffizielle Nationalhymne gilt.
 
Der Donauwalzer, ‚‚An der schönen blauen Donau’’, wie er vollständig heißt, war auch das Sterbelied für seinen Komponisten. Nichts Besseres konnte dem Orchester im Wiener Volksgarten einfallen, als sich am Nachmittag des 3. Juni 1899 die Kunde verbreitete, Johann Strauß sei seiner Lungenentzündung erlegen. Aus der geziemenden Stille der Gedenkminuten hob sich erst melancholisch, dann wirbelnd genau diese Melodie. Ein Totentanz; kein mittelalterlicher mit Sensenmann, sondern ein wienerischer. Wegkomponiert der Tod. Alles Walzer.
 
Johann Strauß gibt es vielfach freimütig zu: aus den Selbstzweifeln und Depressionen, von denen der persönlich gar nicht fröhliche, sondern menschenscheue, miesepetrige, ängstliche, eitle, jedem Sonnenstrahl abholde Workaholic und Stubenhocker immer wieder heimgesucht wird, flüchtet er ins Komponieren von Walzern und Polkas. Da ist Strauß in seinem Element. Der Griff nach dem ‚‚ernsten’’ Genre glückt ihm nicht. Erstens drängt, ja zwingt ihn das Publikum geradezu, bei seinem Leisten zu bleiben. Und Strauß, Geschäftsmann und Vermarktungsgenie von hohen Graden, schreibt zwar mit zunehmendem Alter immer abfälliger über seine ‚‚gemeine Dudelei’’, verzichtet aber auf nachhaltiges Widerstreben.
 
Zweitens drängen sich ihm, was immer er komponiert, die Tanzmelodien auf. Sogar bei der Arbeit am ‚‚Ritter Pásmán’’, seiner einzigen ernsten Oper, ist ihm ‚‚so ein verfluchter Hauer von einem Walzer wie ein Blitz durch den Schädel’’ gefahren, ‚‚der bei seiner Gemüthlichkeit eine unverschämte (musikalische) Keckheit entwickelt. Als er entstanden, fluchte ich und dachte: Saukerl, dich kann ich jetzt nicht brauchen.’’
 
Seitenanfang
  Eine ungeheure Tanzlust hatte in Österreich um sich gegriffen seit Kaiser Joseph II. seinem Land eine nüchtern-rationale Aufklärung verordnete. 1814/15 dann tanzte der Wiener Kongreß, und selbst die blutig niedergeschlagene Revolution 1848 und die bleierne politische Stille danach konnten dieser Sucht nichts anhaben. Säle sind gebaut worden, groß wie die Schleyerhalle in Stuttgart, mit Platz für achttausend Menschen. Und doch war an richtiges Tanzen oft gar nicht zu denken: Die Zuhörer standen einander auch ohne Bewegung auf den Füßen.
 
Gerade vom Walzer, dem aus dem Ländler hervorgegangenen Modetanz der Zeit, muß eine ebenso erotisierende wie rauschhafte Wirkung ausgegangen sein. Als ‚‚bacchantische Lust verbreitend’’, als ‚‚füßebeflügelnd, athembeklemmend, wangenrotfärbend, busenhochschwingend’’ wird schon die Musik von Vater Strauß beschrieben, ‚‚und Strauß Sohn verspricht die Geige so zu streichen, daß selbst die Sträußchen im Busen der Damen zu tanzen anfangen’’, heißt es 1845 in der Postille ‚‚Der Humorist’’.
 
Karl Freiherr von Reichenbach, der Inhaber des später durch einen eigenen Walzer geehrten Lokals Krapfenwaldl, hat bei einer Umfrage festgestellt, daß seine Gäste die dem Walzer zugeschriebene ‚‚vollständige Perturbation’’ aller Empfindungen, diese ‚‚eigenthümlich krankhafte Verstimmung des Nervensystems’’ geradezu herbeisehnen und suchen. Gefällt ein Werk, wird fünf-, sechs-, siebenmal nach Wiederholung verlangt. Die Strauß-Walzer seien für die Wiener ‚‚zur Religion geworden’’, befindetein Zeitgenosse 1877. Eine Art Droge würde man das in der Sprache unseres Jahrhunderts nennen. Genauere Auskunft könnte heute vielleicht die Fangemeinde von Michael Jackson geben.
  Eingeschleppt hatten den Walzervirus die Brüder Scholl und Michael Pamer, heute weitgehend vergessene Leute. Sie brachten den volkstümlichen Ländler in die Stadt, schliffen den bäuerlichen Hüpftanz fürs glattbürgerliche Parkett zurecht. In Pamers Ensemble wiederum lernten zwei Musiker, denen nachher die Explosion der Krankheit zu verdanken ist: Joseph Lanner und Johann Strauß - ‚‚Strauß Vater’’, wie dieser sich von 1844 an einschränkend nennen muß, da er nun nicht mehr der einzige jenes Namens ist.
  Der alte Strauß, Sproß eines Vorstadt-Schankwirts jüdischer Abstammung (diesen Vermerk tilgten die Nazis später aus dem Melderegister), hat den eigentlichen Wiener Walzer entwickelt. Lanner blieb eher dessen ländlichen Wurzeln treu. Und vom Jahr 1819 an, in dem beide mit eigenem Orchester auftraten, spaltete sich tout Wien in zwei Lager: in ‚‚Lannerianer’’ und in ‚‚Straußianer’’. Von Strauß Vater stammen die wichtigsten Formelemente des neuen Walzers, die kompositorischen Tricks, die Vielfalt der rhythmischen Effekte - und vor allen Dingen ein unglaublicher Reichtum an Melodien. Der Sohn bediente sich später geschäftstüchtig, ungeniert und ausgiebig aus diesem Schatz.
 
Strauß Vater hat auch den modernen Typ des Unterhaltungskomponisten begründet, zur geradezu industriellen Ausnützung der Ressourcen - wie man heute sagen würde - jenes kompositorische Teamwork eingeführt, das ihm sein Sohn nachher so erfolgreich abgeschaut hat: Der Herr Compositeur erdachte dabei nur die Hauptmelodie, hielt mit Bleistift höchstens Baß, Rhythmus, Harmonieführung fest. Den Rest überließ er professionellen Arrangeuren - und hielt sie kurz, damit ihnen der Erfolg ihres Ghostwritertums nicht zu Kopf stieg. So strich Strauß Sohn 1871 für seine erste Operette (‚‚Indigo und die vierzig Räuber’’) 26000 Gulden ein; den Kapellmeister und Komponierhelfer Richard Genée fand er mit 300 Gulden ab.
 
Johann Strauß Vater war es, der das Showdirigieren perfektioniert hat. 1828 kommt der ‚‚Teufelsgeiger’’ Niccolò Paganini in die Stadt; die Massen strömen ihm zu, die Damen der Gesellschaft erleiden (?) die üblichen Ohnmachtsanfälle - und am nächsten Tag schlachtet Strauß den Melodienreigen Paganinis für eigene Zwecke aus, übersetzt in den Dreivierteltakt, bringt, was vorher nur die High Society in der Hofburg hören konnte, in sein bürgerliches Lokal Zu den zwey Täuberln - und führt als Stehgeiger mit seinen Paganini-Verrenkungen eine kabarettistische Show ohnegleichen auf. Ein gewisser Richard Wagner jubelt (tatsächlich: Wagner jubelt) über die ‚‚an Raserei grenzende Begeisterung des wunderlichen Johann Strauß’’: ‚‚Dieser Dämon des musikalischen Volksgeistes erzitterte beim Beginn eines neuen Walzers wie eine Pythia auf ihrem Dreifuß, und ein wahres Wonnegewieher des berauschten Auditoriums trieb die Begeisterung des zauberischen Vorgeigers auf eine für mich fast beängstigende Höhe.’’
 
Seitenanfang
  Zum eitel gepflegten Star-und-Show-Rummel gehören auch die Konzertreisen, die Strauß Vater als erster Komponist mit eigenem Orchester unternimmt. Dabei ist Strauß bis zu fünfzehn Monate unterwegs. Ob Pest, Amsterdam, Berlin oder London, die Welt wirbelt mit ‚‚Wonnegewieher’’ im Wiener Walzer. Selbst so ernste Komponisten wie Schumann, Liszt, Mendelssohn oder Berlioz zollen Anerkennung. Der Ruhm ist also gesichert, der Weg für den Sohn längst gebahnt, als der sich in die Welt hinauswagt - und bis in die USA gerät. Wobei gerade der monströse Auftritt dort an Strauß’ panischer Reiseangst beinahe gescheitert wäre: ‚‚Und wenn mi Ihnere Indianer massakern?’’ fragt er bange beim Konzertagenten in Boston an.
  In die USA ist Strauß Vater zwar nicht gekommen, aber sonst bewegt sich der Sohn bis zu seinem Einstieg ins Operettengeschäft praktisch nur in Gefilden, in denen Vater Strauß schon war. Er hat geerbt. Und er arbeitet sich zeitlebens an seinem großen, strengen Vater ab. Vom ‚‚Kronprinzendilemma’’ hat man schon gesprochen. Es fing an mit dem väterlichen Verbot, Berufsmusiker zu werden. Klavier durfte der kleine ‚‚Schani’’ lernen, und der Vater sah es sogar mit Wohlgefallen, wie seine drei Söhne ihm gemeinsam die Walzermelodien ablauschten. ‚‚Buben’’, brummte er anerkennend, als sie ihm ihre Virtuosität einmal auf den Tasten vorführten: ‚‚Buben, das spielt euch niemand nach.’’ Aber wehe, jung Strauß griff zur Geige! Da witterte der Vater Konkurrenz, fühlte sich vom Walzerthron gestoßen.
  In der Tat, nach dem Tod seines Rivalen Lanner war dem Vater nur ein Jahr der Alleinherrschaft vergönnt. 1844 war ‚‚Schani’’ da. Der Achtzehnjährige hatte sich ein eigenes Ensemble zusammengesucht, stellte wie sein Vater, der ‚‚Walzer-Tirann’’, extrem hohe Qualitäts- und Disziplinansprüche an sein Orchester und lud bereits nach einer Woche Vorlauf für den 15. Oktober zu einer ‚‚Soirée dansante’’ ins Casino Dommayer. Das liegt in Hietzing, in einer Vorstadt gewissermaßen, aber in einer noblen: Direkt neben dem Dommayer befindet sich Schloß Schönbrunn, Wohnort der kaiserlichen Familie. Vom ersten Tag an meldet ‚‚Johann Strauß (Sohn)’’, wie er sich selbstbewußt auf den Plakaten nennt, seine Ansprüche an. Und anders als sein Bruder Eduard, dessen erste Komposition später unter Pseudonym vorgeführt wird, hält es Johann zu keinem Zeitpunkt für nötig, unter falscher Flagge zu fahren.
  Vom ersten Tag an ist ihm der Beifall gewiß: ‚‚Der Sohn fühlt das Blut des Vaters electrisch in seinen Adern rollen. Der junge Director, der zugleich als Compositeur auftrat, wurde mit rauschenden Zeichen des Wohlwollens begrüßt; seine Compositionen, Gunstwerber-Walzer’, ,Quadrille’, ,Polka’ und ,Sinngedicht-Walzer’, letzterer im vorzüglichen Maße, hatten sich des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen.’’ Kann eine Konzertkritik jemals besser ausfallen als jene aus der Wiener ‚‚Theaterzeitung’’?
  Seitenanfang
 
Der Sohn kam aber auch deshalb so gut weg, weil er einige der beliebtesten Kompositionen seines Vaters erklingen ließ. Auch das wußte er vom ersten Tage an: wie er sich beim Publikum einschmeicheln konnte.
 
Vater und Sohn lieferten sich in der Folge einen fünfjährigen ‚‚hitzigen Gottesgerichtskampf’’, wie es ein deutscher Journalist damals formulierte. Dabei griffen sie auch zu unlauteren Methoden. Während der Vater dem Sohn zur Last legte, tendenziöse Zeitungsartikel bestellt zu haben, überreichte er höchstselbst ‚‚ergebenst beykommende Kleinigkeit’’ an bedeutende Redakteure oder schrieb: ‚‚...beeile ich mich nach Kräften Ihnen dienen zu wollen, wenn anders die Summe von 150 Gulden Ihnen convenirt.’’
 
Am 25. September 1849 stirbt der Vater, und der Sohn hat den Kampf gewonnen - bis heute. Denn nun, da sich der Tod des Vaters zum hundertfünfzigsten, der des Sohnes zum hundertsten Mal und der Todestag des mit den beiden weder verwandten noch verschwägerten Richard Strauss zum fünfzigsten Mal jährt - da kündigt Wien zwar ein ‚‚Fest für die drei Sträusse’’ an, erinnert aber fast nur an seinen ‚‚Schani’’.
 
Walzerseligkeit läßt sich als eine über Jahrzehnte währende Verdrängung deuten. Nicht umsonst verzichten Strauß-Biographien weitgehend auf eine Betrachtung der allgemeinen Zeitgeschichte: es gibt zwischen ihr und dem ‚‚Walzerkönig’’ so wenig Bezüge. Gewiß, jung Strauß hatte 1848 einen ‚‚Revolutionsmarsch’’ ersonnen und die Marseillaise gespielt - wie gesagt: er tat, was die Leute verlangten. Das kostete ihn einen langen Kampf mit dem Kaiserhaus: Schließlich wollte Schani auch den väterlichen Titel des ‚‚k. k. Hofballmusikdirektors’’ erben.
 
Im übrigen sieht es so aus, als hätten sich der Walzer und Österreichs restliche Geschichte wie zwei Welten nebeneinanderher gedreht. Das ‚‚Erzhaus’’ Habsburg zerbröselte, die kapriziöse Kaiserin Elisabeth, ‚‚Sisi’’, starb ihren Tod auf Raten; im Jagdschloß Mayerling erschoß sich Kronprinz Rudolf zusammen mit seiner Geliebten Mary Vetsera. Die Donaumonarchie fiel auseinander, dem Vielvölkerreich wurden die aufkommenden Nationalismen zum Verhängnis. Die k. k. Regierungen kamen über ihre berühmte Politik des ‚‚Fortwurstelns’’ nicht hinaus.
 
Gigantische Schlachten waren verloren worden, Solferino 1859 und Königgrätz 1866, wo Österreichs Soldaten - nach dem Urteil eines Zeitgenossen ‚‚ein Heer von Löwen, von Eseln angeführt’’ - zu Zehntausenden als Kanonenfutter mißbraucht wurden. Österreichs Politiker hatten vom Fortschritt in der Rüstungstechnik nichts wissen wollen und ihre Truppen mit veralteten Gewehren gegen die Preußen gejagt. Aber sie hatten Musikkapellen aufs Schlachtfeld mitgenommen. Und die spielten - den Radetzkymarsch von Johann Strauß Vater. Den Donauwalzer schrieb Strauß Sohn im Jahr eins nach Königgrätz.
 
Es folgte die Zeit, in der Wien seine Bastionen schleifte und in die sündteuren Bauten der Ringstraße ganze Heerscharen von Architekten und Künstlern zogen. Wie eine Schere gingen Verfall und Aufbau ineinander. Wien löste sich in den letzten Jahrzehnten der Habsburgermonarchie endgültig von seiner Umgebung ab, prägte in einem sonderbaren spätherbstlichen Blütenfest sein eigenes Gesicht und schuf sich seinen bis heute nostalgisch gepflegten, speziellen Kult.
 
Seitenanfang
  Den ‚‚Modergeruch’’, der sich damals ‚‚in den Rosenduft mischte’’, habe der Durchschnittsbürger gar nicht wahrgenommen, schreibt der Historiker Stephan Vajda; von der ‚‚peinlichen Unsicherheit’’, die später der Jugendstil-Architekt Otto Wagner den Zeitgenossen attestierte, war nichts zu bemerken: ‚‚Es war ein fröhliches Fest, mit Militärparaden und Blumenkorsos, mit Galakonzerten, Redouten und Umzügen, mit Hof-, Masken-, Bürger-, Fiaker- und Wäschermädelbällen, mit Pratergaudi und Heurigenseligkeit, mit Nobeltee und Wohltätigkeitsbasar, mit Theaterpremieren, Pferderennen und Fußballspiel. Das Leben schien materiell weitgehend gesichert; man genoß die Gegenwart und plante gemächlich die Zukunft: den Aufstieg in eine höhere Gehaltsklasse, die Vergrößerung des Geschäfts, die vorteilhafte Heirat der Kinder, den Lebensabend am Stammtisch, die schöne Seelenmesse und den teuren Grabstein an einem ruhigen Platzerl auf dem Lieblingsfriedhof.’’ Fehlte eigentlich nur noch die Möglichkeit zum Probeliegen.
 
‚Jean’’, ‚‚Giovanni’’ oder ‚‚Schani’’ Strauß, je nachdem, ob man den Weltenbürger meint oder den Wiener, war exakt ein Kind dieser Epoche. Von seinem Debüt im Dommayer an, vom neunzehnten Lebensjahr bis zu seinem Tod, stand der Künstler fünfundfünfzig Jahre auf der Bühne. Und während manch hitziger Saison dirigierte der passionierte Nichttänzer sogar bei fünf oder sechs Bällen pro Abend.
  Mit seinen Brüdern Josef und Eduard betrieb er zu besserer Vermarktung des Markennamens ‚‚Strauß’’ eine ‚‚Concert-Unternehmung’’; zu deren ‚‚Monstre-Bällen’’ mit drei Orchestern steuerten alle ihre Melodien bei. Und im Hintergrund wirkten die Frauen: die Mutter Anna Strauß zuerst, die aus Rache gegenüber ihrem in Untreue getürmten Ehemann das Talent der Söhne nach Kräften förderte, die entscheidenden Auftritte anbahnte und als ‚‚Schatzmeisterin’’ das überreichlich strömende Geld hütete.
 
Danach kam, ökonomisch kongenial, Schanis erste Ehefrau Jetty, und nach einem unglücklichen Zwischenspiel mit der angehenden Sängerin Lily führte Adele Strauß ihren genialen Gatten sowohl künstlerisch als auch wirtschaftlich zu letzten Höhenflügen. Und hatte die Mutter die Walzerbiographie ihres Sohnes eingeleitet, so standen die Ehefrauen jeweils an neuen Schlüsselstellen. Mit Jetty öffnete er das Tor zur Operette (‚‚Die Fledermaus’’), Lily inspirierte im selben Fach nicht von ungefähr zum ‚‚Lustigen Krieg’’, und Adeles Zeit verbindet sich mit dem Spätwerk: mit seinem berückenden ‚‚Zigeunerbaron’’ ebenso wie mit dem gescheiterten ‚‚Ritter Pásmán’’ und den erfolglosen Versuchen, eine Ballettmusik zu schreiben.
 
In Adeles Armen starb Strauß auch. Dreiundsiebzig Jahre war er geworden; Kinder hatte er keine. Und nach ‚‚Sisis’’ Bestattung im September 1898 erlebte Wien innerhalb weniger Monate das zweite Leichenbegängnis der Superlative. Es hat ihm sehr gefallen.

Seitenanfang