heimatzunft | heimatpfleger


Der Osterhase taugt zur Familienpflege

von Nicolas Hosseinpur
  Ostern - dieses Fest dominiert den christlichen Jahreslauf. Durch seinen ständig wechselnden Termin bestimmt es auch die Zeitpunkte der Fastnacht, Pfingsten etc.
Ostern ist am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. 40 Tage plus die (vom Fasten ausgenommenen) 6 Sonntage vorher ist Fastnacht bzw. Aschermittwoch, 40 Tage später Christi Himmelfahrt, 50 Tage später ist Pfingsten (griech. Pentecoste = fünfzig) und 60 Tage danach ist Fronleichnam. Alles hat seine Ordnung.
 

Warum es ausgerechnet der Osterhase ist, der angeblich die bunten Eier versteckt, ist hinlänglich von Brauchtumsforschern untersucht und ausgebeutet worden. Tübingens Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger hat jetzt auf die Bedeutung der Eiersuche für unsere Zeit hingewiesen: Sie sei wichtig für den Zusammenhalt der modernen Familie.
 
Das Versteckspiel sei schon deshalb wichtig, weil „die gemeinsame Zeit von Eltern und Großeltern für ihre Kinder immer knapper“ werde, sagte der 74-jährige Tübinger Volkskundler. Was für den engen Kreis der Familie gilt, das gelte freilich auch im größeren Rahmen der Gemeinde. In vielen Kommunen sei die Eiersuche auch ein Gemeinschaftserlebnis für alle Einwohner gewesen: „Ganze Dorfgemeinschaften haben gemeinsam Eier versteckt und gesucht.“ Noch heute gibt es in zahlreichen Gemeinden und ebenso zahlreichen Variationen diesen Brauch.
Die bindende Kraft des Osterfestes gehe innerhalb der Familie auch über die Zeit hinaus, in der die Kinder noch an den Osterhasen glauben, betont Professor Bausinger gegenüber unserer Zeitung. Später widme sich die Familie samt größer gewordenen Kindern in vorfestlicher Eintracht dem gemeinsamen Eierfärben. Auch hier stehe, jenseits aller kulturellen Wurzeln und mythischen Tiefgründigkeit, das schlichte Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund.
Und auch hier findet man wieder eine Übertragung von der familiären auf die gemeindliche Situation. Bausinger spricht von geradezu einer „Inflation von Eiermuseen“. Landauf-landab würden voller Stolz besonders kunstvoll verzierte Eier ausgestellt. Es sei dies das Zeugnis eines wachsenden Bedürfnisses, der staunenden Öffentlichkeit die Möglichkeiten aufzuzeigen, zu denen sich schlichtes Verzieren von Eiern steigern lässt.
Eierlesen, Für Großansicht bitte klicken, 252 KB

Ländliche Bräuche in Württemberrg: Das Eierlesen

Zeichnung von Johann Baptist Pflug, 19.Jhdt.

Bausinger erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass im Mittelalter selbst das bemalte Ei, das es damals schon gab, eher einfarbig war. Die traditionelle Färbung, wie sie in den Klöstern der westlichen Welt bereits aus dem 13. Jahrhundert nachweisbar ist, beschränkte sich auf ein einfaches Rot. Das nämlich gab an Symbolik genug her: vom Blut Christi über Leben und Sieg bis hin zur Lebensfreude. In Osteuropa übrigens bevorzugte man eher goldfarbene Eier - als Zeichen der Kostbarkeit.
Inzwischen hat man die Farbskala komplettiert und jeder Farbe eine Symbolik unterlegt: Gelb bedeutet den Wunsch nach Erleuchtung und Weisheit, Rot symbolisiert den Opfertod Christi, Weiß gilt als Farbe der Reinheit, Grün steht für Jugend und Unschuld, Orange schließlich für Kraft, Ausdauer und Ehrgeiz.
Auch der Mythos vom Osterhasen, der erst später als Eierlieferant ins Spiel gebracht wurde, hängt nach Auffassung der Brauchtumsforscher eng mit dem Verstecken der Eier zusammen. Da der Hase sich im Frühjahr zur Futtersuche in die Dörfer und Gärten der Menschen vorwagte, lag es nahe, ihm das Verstecken der Eier anzudichten. Das freilich ist nur einer der zahlreichen Erklärungsversuche. Andere Forscher greifen tief in den mythologischen Fundus der Menschheit .
Bausinger erinnert auch an die für ihn ganz mythenfreie Herkunft des österlichen Eierhandels. Früher durften in der Fastenzeit keine Eier gegessen werden, was die Hühner natürlich nicht wissen konnten, weshalb der Eierberg bis Ostern unaufhaltsam wuchs. Das Verschenken von Eiern war also vermutlich eine durchaus sinnvolle Reaktion auf ein Überangebot. Und das Geschenk war höchst willkommen: Wenn am Ostermorgen die Karwoche zu Ende war, dann war der Eierkonsum verständlicherweise besonders hoch. Irgendwann ging man dann dazu über, diese gesammelten „Karwochen-Eier“ zu bemalen und weihen zu lassen, damit sie sich von den gewöhnlichen (im Zweifelsfall aber frischeren) „Jahres-Eiern“ unterschieden.
Die alten Bräuche wie das Bemalen und Verstecken von Ostereiern halten sich nach Bausingers Auffassung nicht zuletzt deshalb, „weil wichtiger Kommerz damit verbunden ist“. In der Tat: Ostern ist auch ein Geschäft. Auch das freilich ist nichts Neues. Eier waren schon im Mittelalter als Zahlungsmittel, als Berechnungseinheit für Zins und Pacht, gang und gäbe. Urkunden und Rechtsbücher berichten seit dem 9. Jahrhundert von so genannten Eierzinsen zu Ostern. Eine genau bemessene Anzahl von „Zinseiern“ musste an Herrschaften und Klöster abgegeben werden - als Gegenleistung wurden gewisse Zoll- und Markterleichterungen gewährt. Im kirchlichen Umfeld wandelte sich das Zinsei zum „Schenkei“ - eine versöhnliche Entwicklung!

Vom symbolbefrachteten Ei zum fruchtbaren Hasen

Das Osterfest ist untrennbar mit einem eher alltäglichen Grundnahrungsmittel verbunden: dem Ei. Das aber hat gute Gründe.
Schon in der Urchristenzeit galt das Ei als Sinnbild nicht nur des Lebens, sondern auch der Auferstehung. Bereits aus dem 4. Jahrhundert sind Eier als Beigaben in römisch-germanischen Gräbern nachweisbar. Irgendwie hatte das Ei ja auch etwas von einem verschlossenen Grab, in dem Leben eingeschlossen ist; zum anderen aber war auch der Bezug zum neuen, zum erwachenden Leben unübersehbar und damit zur Auferstehung Christi.
Doch die Ei-Symbolik gibt sich nicht damit zufrieden, dass sie künftiges und vergangenes Leben aufzeigt, sie will auch noch die Ewigkeit einschließen. Das gelingt einerseits durch die Form des Eis, „ ohne Anfang und Ende“, andererseits auch - für etwas schlichtere, aber humorbegabte Gemüter - durch die beliebte Frage, wer wohl zuerst da gewesen sei: das Huhn oder das Ei?
Das Ei drängte sich folglich als österliches Symbol geradezu auf. Doch warum brauchte man dazu auch noch den Osterhasen? Ist es wirklich so, dass man ihn einzig und allein deswegen als Gehilfen erfand, weil - so der Tübinger Kulturwissenschaftler Bausinger - „ein simples Geschenk der Eltern an ihre Kinder da nicht ausreichte, also hat man den Osterhasen erfunden“? Wohl kaum. Auch der Hase galt und gilt als Symbol der Fruchtbarkeit: mit bis zu 20 Jungen pro Jahr nicht ganz zu Unrecht. Und so nimmt es nicht wunder, dass schon der phönizischen Fruchtbarkeitsgöttin Astarte, gleichbedeutend mit Aphrodite bei den Griechen oder Ostara bei den Germanen, sowohl Ei als auch Hase als Symbol zugeordnet waren.
Bei so viel Heidentum erstaunt es nicht, dass die Metamorphose vom Hasen zum Osterhasen im Christentum mühsam war. Erst in der Reformationszeit sollen evangelische Familien den Osterhasen als Eierlieferanten ins Spiel gebracht haben. Erste Belege datieren aus dem Jahr 1678 von Georg Franck von Franckenau, einem Medizinprofessor aus Heidelberg. Der Hase war zu jener Zeit noch keineswegs konkurrenzlos. Für das Bringen der Eier war beispielsweise auch der Hahn zuständig, eine biologisch zumindest nicht ganz so abwegige Variante, in der Schweiz war es der Kuckuck, in Westfalen der Fuchs und in Thüringen der Storch, der sich später bundesweit auf Menschenkinder spezialisieren sollte.
 
Aus: Schwäbische Zeitung, 14.04.01

Seitenanfang