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Jürgen Hohl

Der oberschwäbische Hochzeitslader


Jürgen Hohl, origineller Brauchprälat aus dem oberschwäbischen Dörfchen Eggmannsried beschreibt die Figur des Hochzeitsladers.
 
Der Hochzeitslader oder Hochzeitsbitter ist eine der ältesten Brauchtumsfiguren, die sich bis heute erhalten hat. Vereinzelt in Baden, Württemberg und Franken erfreut sich der Lader auch in Bayern und dem angrenzenden Salzkammergut steigender Beliebtheit. Ich möchte hier nur vom süddeutschen Raum sprechen, damit meine Ausführungen nicht zu ausufernd werden. Unser Augenmerk gilt Oberschwaben und dem Allgäu.
 
Noch bis 1920-30 ging in manchen Gegenden dieser 2 Landstriche der Hochzeitsbitter oder -lader, im folgenden kurz Lader genannt, von Haus zu Haus, um zur Hochzeit zu bitten. Es war dies die althergebrachte Form des mündlichen Einladens, wie es seit langen Zeiten üblich war. Erst nachdem sich in der Stadt das schriftliche Einladen durchgesetzt hatte, fand um 1880-1900 diese Art des alten Bittens auf dem Land ab 1920 ein Ende. Sie ging Hand in Hand mit dem Niedergang des beruflichen Laders. Die gleiche Entwicklung machte auch der oder die Leichenbitterin durch.
Die Kleidung des Laders um 1900 bestand aus schwarzem Bratenrock, langer schwarzer Hose, Weste, Schärpe, Zylinder und dem Ladestock. Der Zylinder war mit bunten Bändern umwunden, in denen ein Rosmarinzweig steckte, Rosmarin galt ja als Hochzeitsgebinde schlechthin, war es doch das Sinnbild der Treue. Es galt als Verbundkraut, denn es gehörte in die Küche zum Verfeinern der Speisen. Wie sagt doch ein altes Sprichwort: "Esse und Trinka hält Leib und Seel und d'Leit zamma!" Der Ladestock war mit frischen Blumen geschmückt. Am Rocksaum trug der Lader eine bunte Kokarde als Rest des herkömmlichen Hochzeitsbuschen.
Aus meiner Verwandtschaft ist mir noch ein Gedicht überliefert, mehr Einladungsverse, aufgesetzt um 1896 in Graben bei Bad Waldsee:
 
"Nun höret! Es kommt zu Euch ein ausgesandter Bote, um eine untertänigste Bitte vorzubringen: Er erscheint heute als Hochzeitsbitter des ehr- und tugendsamen Jünglings Ludwig Kiebler, Grabenmüllerssohn von Waldsee. Der hat sich zum hl. Sakrament der Ehe versprochen mit der ehr- und tugendsamen Jungfrau Anna Maria Kramer, Bauerntochter aus Graben bei Osterhofen. Die beiden Brautleute lassen Euch durch mich ersuchen, bitten und laden, auf ihren hochzeitlichen Ehrentag, am Samstag, den 24. Dezember in die Behausung des wohlgeborenen Herrn Ludwig Kiebler, Grabenmüller und Gasthofbesitzer des wilden Manns in Waldsee, wo dort ab 8 Uhr das Frühmahl oder Brautmus gehalten wird. Schlag 10.00 Uhr begleiten wir das stetsbarste Brautpaar von den Weltlichen zu den Geistlichen in das hochwohllöbliche Gotteshaus und Stiftskirchen zu Waldsee. Dort wohnen wir der feierlichen Kopulation bei. Danach begleiten wir, unter meinem Amte, das stetsbarste Brautpaar in das nämliche Gasthause. Dort haben wir ein Mahl von 10 Mark beschlossen. Die beiden Brautpersonen wollen dieses Geschäft wieder vergleichen und sie hoffen und wünschen einen unausbleiblichen Hochzeitsgast."
 
Diese Worte künden in "vürnehmer Art" noch ganz vom 19. Jahrhundert, als die Ladertätigkeit noch ein ehrbarer Beruf war. Lassen Sie mich doch ein paar Belege aufzählen aus der guten, alten Zeit:
 
Meyers "Volkskunde in Sitte und Brauch" (1900): "Der Hochzeitsbitter trägt einen Stab, bunt bebändert mit Blau = Treue, Rot = Liebe, Grün = Hoffnung, Weiß = Jungfräulichkeit. Hie und da trägt er noch einen Säbel, kündigt sich im Gebirgslande wohl durch einen Schuss an, oder klopfet mit seinem Stab an die Thüre, und ladet mit einem Spruch ein ....".
 
Dr. Josef Maria Huber aus Bayrisch Schwaben schreibt in seiner Amtsbeschreibung aus dem Allgäu: "In den meisten Gegenden des Allgäus besorgt heutzutage (1880) das Geschäft des Ladens der Hochzeitslader, dieser muss festtäglich gekleidet sein, und sein Rock mit einem rotseidenen Band geziert sein. Er geht zu allen Freunden und Nachbarn im Dorfe und zu den Verwandten der Umgegend. In vielen Orten Oberschwabens wird er vom Bräutigam begleitet, wo beide mit Säbel bewaffnet sind, fast der einzige Rest des Waffentragens unter dem Volke außerhalb des Heeres." Etliche Zeilen weiter gibt er an: "Der Hochzeitslader setzt der Braut beim Brautmahl eine verdeckte Speise vor, die Gspiel- oder Kränzchenjungfer nimmt den Deckel ab, und die Neuvermählte findet in der Schüssel nichts als ein Schweifchen des gebratenen Schweines, dr Sauwedel, ein längst bekannter Scherz, der aber immer wieder mit Jubel aufgenommen wird!"
 
Soweit Dr. Huber. Hans Niederwieser schreibt in "Sitten und Gebräuche in Mittelschwaben" (1913): "In Oberschwaben und Allgäu wird unter Aufsicht des Bitters nach dem Kirchgange geschossen, um die bösen Geister zu vertreiben, und dem Unglück das Eindringen in den Ehestand zu verwehren."
 
Vor 1860 trug der Lader des Oberlandes und Allgäus die dortige Bauerntracht: Einen blauen oder braunen Kirchenrock, am Stehbundkragen einen Hochzeitsbuschen, auf dem Kopf den Dreispitz oder Nebelspalter, auch er geschmückt mit einem Blumengebinde, dazwischen einen Rosmarinzweig. Zum weitärmligen, gestickten Hemd eine rote oder blaue Weste mit Duttenknöpfen, während der Kirchenrock Buckelschildknöpfe auf Lederband gezogen hatte. Um den Kirchenrock trug er eine rotgemusterte Seidenschärpe mit Quasten und Verzierungen. In der Hand den bemalten Ladestock mit Hochzeitsbuschen und bunten Bändern. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren alle Buschen noch aus Gold- und Silberflitter, ähnlich der Brautkrone, dem Zitterkranz. Diese Techniken, die sogenannten "Schönen Arbeiten" waren die letzte Beeinflussung der Klosterwerkstätten, die in dieser Technik ihre Hl. Leiber verzierten. Gegürtet war der Lader mit dem Degen, später dem Säbel. Hier war dies Waffentragen trotz württembergischen und bayrischen Verbot erlaubt. Galt es doch nach dem Hochzeitsmahl die Braut gegen das "Brautstehlen" zu schützen. Schon um 1633 wird dies Degentragen von Lader und Bräutigam erwähnt (siehe "Badisches Volksleben", von E.H. Meyer, 1896).
 
Zu all diesen Utensilien trägt der Lader sämische gelbe, braune oder schwarze Lederhosen, im Allgäu unter der Weste, in Oberschwaben zum Teil über der Weste, dazu blaue, rote oder grüne Hosenträger.
 
P. Walther schreibt in seiner "Schwäbischen Volkskunde" (1928): "Rechtzeitig vorher und zwar in genau festgelegtem Abstand von dem festlichen Ereignis, vollziehen sich die Einladungen zur Hochzeit. Wo dafür ein oder zwei besondere Hochzeitslader in Funktion treten, tragen sie meist noch besonderen Schmuck, und bedienen sich der etwaigen Formel: "En scheena Gruaß vom Hansjörg und seiner Bärbl, und se lasset Eich auf d Hochzig lade am Aftrmentig in de Schwane em ois." Meistens waren es 2 Lader. Erstens wegen der großen Anzahl der Gäste, und immer wurde das Laden mit einem Schnaps oder Moscht vergolten. Im Laufe der Zeit kam es schon vor, dass ein Lader so beladen war, dass er auf dem Schubkarren heim geschoben werden mußte. Die Hochzeit war dementsprechend etliche Zeit später, damit sich die Lader erholen konnten, denn sie hatten ja noch besondere Tätigkeiten an der Hochzeit selber.
 
Mancher Hochzeitslader wurde durch seine weitreichende Tätigkeit unfreiwillig zum Kuppler, genannt "Schmuser". Gerade auf der einen Hochzeit wurde die zweite schon abgehandelt. Nach der morgendlichen Suppe oder Brautmus gings zur eigentlichen Hochzeit oder Brautlauf (Bruutlouf). Der Lader marschierte der Musik voraus und übergab dem Pfarrherrn die Brautleute mit ähnlichen Worten: "Grüß Gott, Herr Pfarrer, i will voll Freid ibr des Glick, Eahne zwoi Brautleit übergeaba, koinr will zruck, Se wellet voll Liab sich d' Ehe schpenda, mit Ihrem Seaga soll des enda!"
 
Wenn keine Morgensuppe stattfindet holt der Lader im Verein mit dem Hochzeiter die Braut im Elternhaus ab. Er sagt dazu: "Grüß Gott, ihr Leit vo dr Braut ihrem Haus, mit em Seage vo de Eltre tritt du Braut etzt raus, damit me zur Kircha ganga ka, wo dr Herr Pfarrer dir gibt dain Maa!"
 
Nach der Kirche vor dem Portal oder vor dem Gasthaus wird abgesperrt, meistens von Kindern oder Jährlingsgesellen der Eheleute. Der Bräutigam oder Hochzeiter muss sich loskaufen. Der Lader sagt dazu: "So, Hochzeitr, do sisch dai Freiheit, dia isch rum, vrzweiflt siesch de noch em Stahl um, do hosch nemes, schneid de durre, ans Leaba, muasch de Kind en Batza gäeba!" An alten Abbildungen des 15.-17. Jahrhunderts lässt sich feststellen, dass früher die Braut rechts ging, wenn sie aus der Kirche kam, aber in die Kirche links ging. Das kam daher, dass es damals eine lebenswichtige Überlegung war. Nur so war es dem Hochzeiter möglich, sein Schwert, später Degen, schnell genug ziehen zu können. Diesen trug er links und er brauchte die Bewegungsfreiheit, schließlich galt es einen Brautraub zu verhindern. Denn gerade vorher hatte er seiner Auserwählten einen Ring auf den Finger gesteckt. Dieser Brauch des Ringsteckens in der Kirche läßt sich bis ins neunte Jahrhundert verfolgen. In bäuerlichen Gegenden bekam die Braut am Verlobungstag (Versprechtag) ein seidenes Schürzenband, das ja auch eine Art Ring bildete, und so zum Schutzsymbol wurde. Aus diesem Band erwuchs in vielen Gegenden der Brautgürtel. Bei manchen Trachten hat sich das Band um den Leib bzw. Schürze als Zeichen der verheirateten Frau erhalten.
Nun wieder zum Lader. Beim Hochzeitsmahl hatte er die Aufpassfunktion bei der Ehr, d.h. er überwachte die Geldspende, die im Schmalzhafen gesammelt wurde, schrieb sie auf, damit die Brautleute bei kommenden Hochzeiten der Gäste im gleichen Maße zurückgaben. Man kann hier fast von einem zinslosen Darlehen sprechen. Der Lader gab auch den Dank der Brautleute weiter. Er organisierte den Brauttanz, sowie das Abkranzen der Braut, d.h. die Mutter der Braut nahm ihr nach dem Festnachmittag vor dem letzten Tanz die Brautkrone, oder Braut- oder Flitterkranz ab und setzte ihr die Frauenhaube auf, getreu dem alten Spruch: "Sie kommt unter die Haube!"
Alle diese Formen werden vom Lader mit Sprüchen garniert, genau so wie er nach alter Melodie seine Schnitze oder Stanzen sang. Kurzum, der Lader war Organisator, Unterhalter und Brauchformenüberwacher in einem.
 
Nun noch kurz zum Ladestab oder Bitterstock:
Schon in germanischer Zeit gab es die Botenstäbe, eingekerbte Botschaften wurden von Hof zu Hof verschickt. Den Stab als Zeichen des Respekts finden wir bei Amtspersonen genau so wie bei Tanz- und Marktmeister. Der bäuerliche Mensch als behutsamer Nachahmer der städtischen Moden, hat dieses Element seiner Brauchformen übernommen.
Wer sich wissenschaftlich mit dem Hochzeitslader auseinandersetzen möchte, der sei auf das Buch verwiesen von Heimatpfleger Dr. Dettmer: "Die Figur des Hochzeitsbitter". Er behandelt in streng wissenschaftlicher Form den Lader im gesamtdeutschen Raum und den deutschen Ostgebieten.
Lassen Sie mich mit einem Hochzeitsgedicht um 1870 schließen. Es wurde von mir allerdings in die Mundart unserer Region übertragen:
 
Dr scheenschte Dag der isch erschiena,
Dir Breitigam, dir wehe Braut,
etzt dirfet Ihr Eich ewig liaba,
Gott sei Dank, Eich hot meh traut.
Es beschte Los sei Eich beschieda,
nia schtöhr Eich je a Ungemach,
Dr Hemml öffne sich hinieda,
Eich grot des Glick an sellem Tag.
 
I bring Eich etzet sell Loib Brot,
dass in dr Ehe jo koi Not,
Und au des Leabens Würze, durch sell Salz,
geab i Eich mit: Gott erhalts.
 
So leabet aschtendig, wie a Englschar,
gsund, gfräs und froh,
mir feiret denn in fuchzig Johr,
de goldn Hochzig eaba so!

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