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Das Interview: Alex Moser


Wir befragen führende Köpfe der Brauch- und Heimatszene Baden-Württembergs zur aktuellen Situation der Heimatplege im Land. In unregelmäßiger Folge möchten wir die Antworten hier vorstellen.
 
Alex Moser Vizepräsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte und "lebenslänglich" passionierter Fasnachter.

Zur Person:
Geboren 1942 in Obernheim, auf dem Großen Heuberg, nahe der 1000m-Grenze der Schwäbischen-Alb. Textilunternehmer, langjähriger Landschaftsvertreter der Fasnetslandschaft Neckar-Alb in der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte und seit 1995 deren Vizepräsident.

HP: 1. Aus welcher persönlichen Motivation heraus engagieren Sie sich?

Solche Fragen werden oft und gern mit den Zitaten: " ...in die Wiege gelegt, ...an der Wiege gesungen" umschrieben. In der Reflexion meiner Biographie führt auch mich die einschlägig "heiße" Spur in die Nähe des Sprichwörtlichen. Ich nenn es einfach Elternhaus, als Sammelbegriff für den Verbund von Familie, Nachbarn, Freunde, Erzieher, Vorgesetzte und Dorfgemeinschaft. Die zunächst erlebten und im fließenden Übergang gelebten ortsspezifischen Bräuche, Traditionen und Religionszugehörigkeit bildeten sich sehr früh zum Identitätsmultiplikator für die Erfahrbarkeit der Werte wie Bezug, Verbundenheit, Geborgenheit, Verständnis, Zugehörigkeit und das An- und Aufgenommensein. Muttersprache, Sagengut, Musik und Gesang war der Nährboden des Besonderen. Das geographisch wie topographisch bedingte Klima der "Rauhen Alb", nahe der 1000-Meter Grenze die Jahreszeiten klar definierend, mit starkem Einfluß auf Flora und Fauna, boten tiefes Erleben im Einklang mit der Natur. Von alters her bis in die Zeit vom II. Weltkrieg, von Fremdeinflüssen, Störfaktoren und Modetrends bewahrt, prägten Zeit und Raum den Wertbegriff selbstverständlicher Bodenhaftung.
Die Eckdaten der Grundwerte wie Umfeld, Traditionen, Sprache und Bodenständigkeit definieren für mich in der Quersumme den Begriff Heimat. Positiv vermittelt ist für mich die Heimat das Szenarium im Rollenspiel des Lebens, wo sich jeder Mitwirkende mit der ihm zugedachten Rolle aktiv und gestaltend einbringen darf. Eine Lebenschance unerschöpflicher Kreativität, in der Inszenierung "Heimat", im Einklang gewachsener Strukturen und mit Anreicherung persönlicher Phantasie. Mein persönliches, wenn auch bescheidenes Engagement stützt sich auf diese Chance.

HP: 2. Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation der Brauchtums- und Heimatpflege in Baden-Württemberg?

Wenn ich das Wort Situation gegen den Begriff Ergebnis austausche, dann erkenne ich aus der Distanz zweierlei Ergebnisse. In unserem digitalen bzw. globalen Zeit- und Raumverständnis staune ich immer wieder über Quantität, Qualität und erfahrbaren Idealismus insbesonders in Baden-Württemberg. Brauchtums- und Heimatpflege sind kulturorientierte Werte auf hohem Niveau, leider aber nachrangig von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zwängen einer erfolgsorientierten Weltwirtschaftsnation angesiedelt. Im freizeitorientierten Überangebot erkenne ich respektable Ergebnisse. Die allgemeine Tempo- und Wertvorgabe am anbrechenden III. Jahrtausend ist atemberaubend und wohl auch der Maßstab für die künftige Interpretation und Überzeugungsfähigkeit aller Grundwerte. Im Generationswechsel erkenne ich fließende Weitergabe mit altersbezogenen, ausgeglichenen Strukturen.

HP: 3. Welche Chancen sehen Sie in der Zukunft?

Ich vertraue auf die Jugend. Die zeitbedingten Spielregeln des Überlebens fördern zumindest kurz- und mittelfristig Nachfolgegenerationen mit fundiertem, anspruchsvollem Bildungsstand. Dies bildet auch freie Perspektiven für substantielle Orientierung und zwischenmenschliche Lebensqualität. Jede Zeit birgt neue Chancen.

HP: 4. Welche Schwerpunkte sollen für die Zukunft gesetzt werden?

Mit Sicherheit eine Frage, die je nach persönlicher Sichtweise anders beantwortet wird. Wer hätte nicht Verständnis für jeden vernünftigen Wunsch? Letztlich entscheidet das Kräftepotential über Prioritäten.

HP: 5. Was bedeutet Ihnen persönlich Heimat?

Für mich ist der Begriff Heimat ein Verbund klar definierter Eigenschaften. Zunächst der Ort, wo ich geboren wurde, zur Schule ging, den Beruf ausgeübt, die Familie gegründet, Ehrenämter bekleidet und den Hauptteil meiner Freizeit genossen habe. Ich hatte den seltenen Vorteil alle Aspekte zeitlebens auf einen Ort zu konzentrieren. Entgegen großstädtischer Anonymität, die ich nicht ertragen könnte, genieße ich die Bekanntschaft aller Mitbürger in meinem relativ kleinen ländlich strukturierten Heimatort. Leistung, Erfolg, Fehltritte und Irritationen werden diskutiert, bewertet, bewundert, verachtet, be- oder geneidet, be- oder verurteilt. Gunst und Mißgunst, Euphorie und Zurückhaltung, ehrliche Aufrichtigkeit oder vernichtender Hinterhalt sind der Preis für stete Beachtung, den direkten Bezug zur "Tagesordnung", das An- und Aufgenommen sein als Teil der Gemeinschaft.

HP: 6. Hat der Inhalt des Wortes "Heimat" in unserem heutigen Medienzeitalter noch eine Zukunft?

Der erfolgsorientierte Mensch von heute und morgen braucht, nach meiner Überzeugung, gerade in der Zukunft mehr denn je die Erfahrbarkeit von Heimat, ob als Privatsphäre, Freiraum, Oase oder Trutzburg. Das Idealbild vom Begriff "Heimat" bleibt dabei fließend und der allgemeine Wertewandel wird gestaltenden Einfluß nehmen.

HP: 7. Ist "Heimat und Brauchtum" genügend in den Medien präsent?

Auf der Ebene guter Unterhaltung bzw. anspruchsvoller Information haben die Medien in den letzten Jahren vermehrt gute Arbeit geleistet. Begründet auf der Tatsache, daß jeder Mensch, mehr oder weniger, Konsument von Heimat und Kultur ist, besteht nach wie vor eine ungenutzte, ergiebige und hoch interessante Spielwiese.

HP: 8. Es wird derzeit immer mehr über die mangelnde Bereitschaft, sich an Vereine zu binden, berichtet. Können Sie sich andere Formen, Brauchtum zu pflegen, vorstellen und wenn ja, welche?

Gemessen am Sport ist diese Erkenntnis nicht auf jede Sparte zutreffend. Die Gesellschaft unterwirft sich zunehmend der Gesetzmäßigkeit von Leistung und Gegenleistung. Engagement im Ehrenamt um die Kulturgüter im Bereich zwischenmenschlicher Beziehung erhöht die Lebensqualität. Diese Erkenntnis sollte vor allem der jüngeren Generation vermittelt werden.

HP: 9. Ein großer Teil der heutigen Jugend steht der Heimatpflege ablehnend und kritisch gegenüber. Welche Wege müssen gegangen werden, um unseren Nachwuchs zu sichern?

Die Freizeitgestaltung wird der Jugend leider nach dem jeweils aktuellen, profitablen Marktwert vermittelt. Freizeitstreß ist ein Ergebnis des Überangebots, Freizeitverdrossenheit die Folge. Heimatpflege erhebt einen hohen, kreativen Anspruch auf musisch-geistiger Ebene. Hier bleibt die Luft immer etwas dünner. Nur die Standfestigkeit, das Durchhaltevermögen und die überzeugende Ausstrahlung der praktizierenden Freundeskreise, Vereine, Organisationen und Institutionen werden in glaubwürdiger Vorbildfunktion den Nachwuchs inspirieren, überzeugen, begeistern und sichern.

HP: 10. Die Begriffe Vermarktung, Kommerzialisierung und Sponsoring gewinnen auch in der Vereinsarbeit immer größere Bedeutung. Wie stellt sich dies in unserem Bereich dar?

Ohne Moos nix los! Ideale lassen sich nicht erkaufen. Kommerz ist andererseits immer die Zwangsfolgerung eines guten Produktes. Materielle Unterstützung ist fundamentale Voraussetzung einer positiven Entwicklung. Sponsoring um den Preis einengender Normen, Anpassung und stilwidriger Manipulation wäre unerträglich.

HP: 11. Was würden Sie, wenn Sie die Möglichkeit hätten, sofort verändern?

Gemeinsam sind wir stark! Eine abgegriffene Redewendung, bewährt in der Praxis. In jedem Fall näheres Zusammenrücken aller Kräfte und Interessen. Hier meine ich die Basis vor Ort, ebenso die Interessenslager der Verbände, Organisationen, der Landespolitik und zumindest die regionale Medienlandschaft.

HP: 11. Was würden Sie, wenn Sie die Möglichkeit hätten, sofort verändern?

Gemeinsam sind wir stark! Eine abgegriffene Redewendung, bewährt in der Praxis. In jedem Fall näheres Zusammenrücken aller Kräfte und Interessen. Hier meine ich die Basis vor Ort, ebenso die Interessenslager der Verbände, Organisationen, der Landespolitik und zumindest die regionale Medienlandschaft.
 

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